Viele erste Male ... oder ... New York, New York

Nico Porges
Nico Porges
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Ela bei den Wheelchair Championships der US Open

Besser spät ... ein Rückblick mit Abstand.

Bei den letztjährigen US Open gab es ein Novum. Erstmals in der Historie der vier Grand Slam-Turniere fand im Rahmen der Rollstuhlwettbewerbe auch eine Konkurrenz der Juniorinnen und Junioren statt. Acht Mädchen und acht Jungen aus der ganzen Welt waren am Start – und Ela war dabei.

Im Jahr 2002 war es endlich soweit: Nachdem die Sportart bereits seit 1992 zum paralympischen Programm gehörte, wurde bei den Australien Open parallel zum Wettbewerb der Fußgänger auch ein Rollstuhltennisturnier durchgeführt. 2005 folgten die US Open und Wimbledon, 2007 zogen letztlich auch die French Open nach. In diesem Jahr nun folgte ein weiterer wegweisender Schritt: Bei den US Open wurden nicht nur die Felder der Damen und Herren auf jeweils 16 Teilnehmer vergrößert – es wurde zudem erstmals auch ein Jugendwettbewerb ausgeschrieben. 

Erfreulich aus deutscher, hessischer und natürlich seeheimerischer Sicht – Ela war eine der wenigen Auserwählten, die an diesem geschichtsträchtigen Turnier teilnehmen durfte. Sie spielt seit ihrem dritten Lebensjahr Rollstuhltennis, und auf unseren coolen Rebound Ace-Plätzen findet sie natürlich beste Bedingungen, um ihren Sport auszuüben. Nachdem sie bereits seit einigen Jahren beim DTB Rollstuhltennis Race Turniererfahrungen sammeln konnte, spielte sie im Frühjahr erstmals ein ITF Turnier in Belgien. Dank ihres dort erreichten zweiten Platzes konnte sie sich direkt in der Weltrangliste platzieren.

Als Ende Juni die Ankündigung der ITF erfolgte, dass die US Open ein Jugendturnier veranstalten würden, war die Hoffnung nicht sonderlich groß, dass es für Ela mit ihrem Ranking reichen würde. Ein Versuch war es jedoch allemal wert, und so hat Papa sie spontan gemeldet. Anfang August – zur Deadline – stand sie überraschenderweise sogar auf Platz 1 der Warteliste. Die Hoffnung stieg. Am 25. August, am Tag der sogenannten Withdrawal Deadline, war die Überraschung dann perfekt. Dank der kurzfristigen Absage einer Spielerin schaffte sie es doch tatsächlich noch ins Hauptfeld. 

Wahnsinn. Denn genau zwei Wochen vor Turnierstart begann der Stress nun erst so richtig. Flüge, Hotel, diverse Akkreditierungen, Schulbefreiung und vor allem die Reisepässe und die ESTA-Anmeldung mussten auf die Schnelle organisiert werden. Kaum zu glauben, aber es hat alles auf den letzten Drücker funktioniert, so dass Ela zehn Tage später tatsächlich im Flugzeug nach New York sitzen konnte.

In New York ging das Abenteuer direkt weiter. Bei Dauerregen, 90% Luftfeuchtigkeit und 30 Grad ging es vom Flughafen JFK nach Manhattan ins Spielerhotel. Die Stadt zeigte sich nicht wirklich von ihrer besten Seite - es war dunkel, laut, dreckig und der Verkehr eine Katastrophe - dennoch waren die vielen neuen Eindrücke unglaublich aufregend. Schnell eingecheckt im Lexington Hotel und in einer winzigen Burgerbude eine Kleinigkeit gegessen, ging es ab ins Bett. Der nächste Tag sollte sich dann etwas freundlicher zeigen, war für Ela jedoch nicht minder vollgepackt mit „ersten Malen“. Nach dem ersten Langstreckenflug, dem ersten Mal New York und USA, folgten nun die erste Akkreditierung bei einem Grand Slam, der erste Transfer vom Hotel ins Billie Jean King Tennis Center nach Queens, natürlich standesgemäß im schwarzen SUV, die erste Reservierung eines Practice Courts, die erste Trainingseinheit, die erste Portion Pasta im Spielerbereich der Juniors und und und …

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Noch beeindruckender als die vielen ersten Male war für Ela jedoch das Turnier selbst. Die US Open und die dortige Atmosphäre sind definitiv einzigartig. Einzigartig laut, dank permanenter Musikbeschallung und der Lage in der Einflugschneise des Flughafens, einzigartig in den riesigen Dimensionen und einzigartig, was die Hilfsbereitschaft, Offenheit und Freundlichkeit der Menschen angeht. In New York feiert man Tennis. Es werden grundsätzlich alle Sportlerinnen und Sportler unterstützt und angefeuert, egal welcher Nationalität sie angehören und ob sie Weltstars oder Nachwuchsspieler sind. Und schiefe oder mitleidige Blicke, wie sie Rollstuhlfahrer in Deutschland gewohnt sind, werden ersetzt durch anerkennende. 

Das Publikum kommt gefühlt aus allen sozialen Schichten und verbringt - mit oder ohne Ticket für die großen Courts – einfach eine schöne Zeit auf der Anlage. Vor den großen Bildschirmen treffen sich die Besucher bei einem gepflegten Heinecken für 14 Dollar 50 und einem winzigen Hotdog ganz ohne Toppings für lumpige 10 Dollar und schauen gemeinsam Tennis. Und wenn gerade keine Matches der Stars angesetzt sind, geht man halt auf die Außencourts und guckt begeistert Rollstuhltennis.

Und sie schauten dann auch zahlreich bei Ela vorbei. Denn Tennis hat sie natürlich auch gespielt. Leider meinte es die Auslosung jedoch nicht wirklich gut mir ihr. Gegen die Nummer 1 der Setzliste, Maylee Phelps aus den USA, konnte sie leider keinen ihrer sieben Spielbälle nutzen. Dennoch war ihre Leistung angesichts der nachvollziehbaren Nervosität auf der riesigen Bühne der US Open mit den vielen Zuschauern richtig gut. Noch besser lief es dann im Doppel. Mit ihrer Partnerin Sabina Czauz aus Denver, die sie erst einen Tag vorher kennengelernt hatte, stand sie kurz vor den Gewinn des ersten Satz gegen das an Position 2 gesetzte Doppel. Leider hat es am Ende nicht ganz gereicht, doch konnte man sehen, dass der Abstand zur Weltspitze zwar noch recht groß, aber soooo groß eben auch wieder nicht ist.

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Somit war das Turnier für Ela zu Ende, die Reise und die vielfältigen Eindrücke hingegen nicht. Drei Tage im Billie Jean King Center lassen viel Zeit, um sich umzuschauen und selbst einmal Fan zu sein. Da die Rollstuhltenniswettbewerbe in der zweiten Woche der US Open stattfinden, ist das Feld bei den Topstars naturgemäß nicht mehr allzu groß. Dennoch hat es für fünf Minuten Alcaraz gegen Tiafoe im Hexenkessel des Arthur Ashe Stadium gereicht - und für ein Foto mit der Nummer 1 der Welt, Iga Swiatek, die den gleichen Practice Court gebucht hatte und einen Tag später das Turnier gewinnen konnte. Leider kannte Ela sie nicht, weshalb sich ihre Begeisterung auf dem Bild in Grenzen hielt. Sie traf auf aktuelle und ehemalige Rollstuhltennis-Weltklassespielerinnen wie die 53 (!)-fache Grand Slam-Siegerin Esther Vergeer. Und sie lernte die beiden deutschen Nachwuchshoffnungen Carolina Kuhl und Ella Seidel kennen, die im Juniorinnendoppel sensationell das Finale erreichten. Ella wurde übrigens gerade erst Deutsche Meisterin bei den Damen.

Leider – vor allem für den Papa – fand die Zeit bei US Open nach drei tollen Tagen ein Ende. Somit blieb aber immerhin noch etwas Zeit, um bei mittlerweile strahlendem Sonnenschein die Stadt zu erkunden. Eine Bootstour rund um Manhattan, Mittagessen in Hell’s Kitchen, der Ausblick vom Empire State Building,

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ein Besuch des Museum of Modern Art – es hätte schlimmer kommen können. Am Sonntag dann ging es zum Flughafen, wo Ela am Gate den Sieg von Carlos Alcaraz bestaunen durfte. Kaum zu glauben, dass sie zwei Tage zuvor für eine kurze Zeit ein winzigkleiner Teil dieser Welt war.

Fazit 1: Es war eine unglaubliche Erfahrung für Ela und mit Abstand die intensivste Woche ihres Lebens. Sie hat sehr viel Motivation aus den fünf Tagen New York gezogen und hofft nun sehr, dass es im nächsten ganz viele zweite Male zu erleben gibt. 

Fazit 2: Die Unterstützung aus der Heimat war einfach unfassbar. Diverse Nachrichten, Social Media Posts und sogar eine Videobotschaft unserer U15-Mädels erreichten Ela - es war der Hammer, wieviel Anteil der TCS an ihrem Abenteuer genommen hat. Da ihre Matches live auf discovery+ übertragen wurden (!), hatte der Sender wahrscheinlich noch nie so viele Abonnenten aus Südhessen wie im September 2022. Ein großes Danke an die Mitglieder des geilsten Clubs der Welt.

Nico

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